KW 05/23
Welt-Getreidebilanz 2022/23 erneut defizitär
Beim Blick auf die Welt-Getreidebilanzen der letzten 20 Jahre fällt auf, dass wir
inzwischen für die Versorgung der Menschheit rund 2.250 Mio.t Getreide im Jahr benötigen. 50 Prozent mehr als zu Beginn des
Jahrtausends. Nach Jahren des Überschusses ab 2011/12 sind wir wieder in einer Phase defizitärer Bilanzen angekommen. Schon vor
dem Ukrainekrieg war zu spüren, dass die Bilanzen enger werden. Mit entsprechenden Folgen für Kurse und Preise.
Brotweizen erzielte ex-Ernte in der Saison 2020/21 noch Erzeugerpreise um 15 €/dt im Süden. Ein Jahr später, am Ende der
Saison, waren es schon 21 €/dt. China hatte sein Importvolumen von 20 Mio.t auf über 60 Mio.t erhöht, was so im Markt
niemand auf dem Schirm hatte. 2021/22 brachte dann, trotz optimistischer Schätzungen zum Start, erneut eine leicht defizitäre
Bilanz. Preislich startete diese Saison mit 18 €/dt für Brotweizen, aber die von Monat zu Monat knapperen Schätzungen der
Getreidebilanz befestigten die Erzeugerpreise für Weizen auf 27 €/dt bis Jahresende 2021. Im Januar und Februar 2022 beruhigen
sich Preise und Kurse etwas. Bis zum 24. Februar 2022. Der Einmarsch der russischen Streitkräfte in die Ukraine stürzte die
Agrarmärkte in bislang unbekannte Turbulenzen. Aus Angst vor Versorgungsknappheit schossen die Erzeugerpreise auf 38 bis 40 €/dt
im Frühjahr 2022.
Erst die Verhandlungen und der Abschluss des Getreideabkommens am 22. Juli 2022 brachte gewisse Entspannung. Ex-Ernte 2022 waren die
Erzeugerpreise für Weizen wieder bei 30 €/dt im Süden angekommen. Bemerkenswert ist, dass trotz der erneut als
defizitär eingeschätzten Bilanz sich Preise und Kurse im letzten halben Jahr, und insbesondere in den letzten Wochen,
rückläufig zeigen. Das liegt auch daran, dass es am 17.November 2022 gelang das Getreideabkommen zwischen Russland und der
Ukraine um 120 Tage zu verlängern. Und daran, dass seither große Mengen, sowohl aus Russland als auch aus der Ukraine, den Weg
auf den Weltmarkt finden konnten.
Wie geht es weiter? Preise und Kurse liegen inzwischen wieder weitgehend auf Vorkriegsniveau. In den letzten Tagen pausierte der
Abwärtstrend bei Getreide an den Börsen. Aus dem Schwarzen Meer wird berichtet, dass Exporte zu günstigen Konditionen
angeboten werden, was weiter Druck ausübt. Präsident Selenskyj spricht von Gegenoffensive. Was geschieht dann mit dem
Getreideabkommen, das bis Mitte März befristet ist? Vor diesen Hintergründen scheinen derzeit kaum Prognosen möglich.
© Schmid, LEL Schwäbisch Gmünd
www.agrarmaerkte-bw.de